In dem nachfolgenden Artikel möchten wir Ihnen einen Überblick über die Möglichkeiten des Einsatzes digitaler Technik geben, die dazu geeignet ist, Menschen mit Hinlauftendenz einen möglichst großen Spielraum im Rahmen ihrer Selbstbestimmung einzuräumen, ohne dass ihre Sicherheit außenvorgelassen wird.
Störungen der Orientierung
Hintergrund ist, dass bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen z. B. aufgrund einer Demenzerkrankung oder bei delirbedingten Verwirrtheitszuständen die Fähigkeit zur Orientierung gestört sein kann. Zusätzlich können Symptome wie ein starker Bewegungsdrang, der auch als Hinlauftendenz bezeichnet wird, vorhanden sein. Darüber hinaus kann es bei Menschen im hohen Alter und bei Pflegebedürftigkeit wahrscheinlicher werden, dass gesundheitliche Notfälle auftreten.
In solchen Situationen des Verlaufens und Hilflosigkeit z. B. nach einem Sturz, ist Eile geboten, um diesen Menschen die notwendige Hilfe zukommen zu lassen. In so einem Fall kann die betroffene Person, sofern sie in der Situation aktuell in der Lage ist, selbst Hilfe anfordern oder sie muss umgehend aufgefunden werden, um von ihr etwaige Gesundheitsschäden abzuwenden. Der Einsatz von digitaler Technik bietet hier verschiedene Möglichkeiten.
Technik für Notsituationen
Je nach Schweregrad der physischen bzw. kognitiven Einschränkungen eignen sich unterschiedliche Systeme. Eine Person mit geringen Einschränkungen kann eine solche Assistenztechnik in Notfällen selbst bedienen und aktiv ein Notrufsignal in Verbindung mit einer Standortangabe absenden. Personen mit größeren Einschränkungen z. B.im Rahmen einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung sind jedoch unter Umständen nicht mehr in der Lage eine solche Assistenztechnik selbst zu bedienen und darauf angewiesen, dass im Sinne einer passiven Ortung z. B. Angehörige oder Pflegekräfte die Positionsbestimmung aus der Ferne vornehmen können.
Die Angebotsmodelle und Preise für die jeweiligen Systeme sind sehr unterschiedlich gestaltet. So reicht die Spanne von Anwendungen, die kostenfrei auf einem Smartphone genutzt werden können, bis zu Geräten mit Anschaffungspreisen von mehreren Hundert Euro. Eine größere Verbreitung haben auch Angebote gefunden, bei denen eine Erstgebühr für die Anschaffung der Technik getätigt wird und anschließend im Rahmen eines Abonnements ein monatlicher Betrag gezahlt wird.
Möglichkeiten der Positionsermittlung
Für die Durchführung Positionsermittlung existieren verschiedene technische Möglichkeiten. Eine Option stellt die Ortung mittels GPS-Daten (Global Positioning System) durch Satellitenkommunikation dar. Hierbei kann zunächst der Standort einer Person lokalisiert und anschließend auf z. B. einer Karte visualisiert werden. Eine Alternative wäre eine Ortung über das GSM (Global System for Mobile Communications), wobei das Mobilfunknetz genutzt wird. Neben der Personenortung ist es auch möglich, beim sogenannten Geofencing vorab eine geografische Eingrenzung zu definieren und bei dem Verlassen des Bereiches ein digitales Signal auszulösen.
Für die Ortung einer Person ist es jedoch notwendig, dass diese ein entsprechendes Gerät mit sich führt, das die Satelliten- bzw. Mobilfunksignale z. B. über eine SIM-Karte oder einen GPS-Empfänger verarbeiten kann. Hier kommen mehrere Formen in Betracht. So finden sich auf dem Markt Geräte, die wie eine Uhr oder Kette aussehen. Der Funksender kann jedoch auch direkt in die Kleidung integriert sein, z. B. in Schuhen oder Gürtelschnallen. Wissenschaftliche Untersuchungen bei der Anwendung bei Menschen mit Demenz konnten zeigen, dass sowohl die Betroffenen als auch Angehörige und Experten ein Ortungsgerät in Form einer Uhr bevorzugen.
Vorteile und Hürden bei dem Einsatz der Technik
Der Einsatz solcher Technik hätte viele Vorteile. Es könnten potenzielle Notfälle verhindert bzw. abgemildert werden, weil die in Not geratenen Personen durch die Ortung schnell aufgefunden werden können. Dies würde auch die soziale Teilhabe verbessern, da Personen mit einer kognitiven Einschränkung Spaziergänge unternehmen oder Einkäufe selbstständig erledigen könnten mit der Sicherheit, im Falle eines Verlaufens schnell Hilfe zu bekommen. Im selben Zuge würden hier pflegende Angehörige, sowie professionelle Pflegekräfte bei der Beaufsichtigung entlastet werden.
Gleichwohl gibt es bei der Anwendung von digitaler Technik zur Personenortung verschiedene Hindernisse. So zeigten sich z. B. bei Menschen mit Demenz Probleme bei der Akzeptanz von körpernahen Geräten und bei den Angehörigen Schwierigkeiten bei der Bedienung aufgrund der Komplexität der Technik. Eine weitere Hürde stellt bei einigen Geräten eine geringe Akkulaufzeit dar, die mit dem Aufwand des regelmäßigen Aufladens einhergeht.
Die Akkulaufzeiten sind dabei abhängig vom Nutzungsverhalten. Geräte, die in regelmäßigen Abständen ein Positionssignal senden, sind verbrauchsintensiver als solche, bei denen eine Positionsermittlung ausschließlich anlassbezogen in Notfällen durchgeführt wird. Bei gängigen Geräten liegt die Akkulaufzeit bei intensiver Nutzung zwischen 8 und 48 Stunden. Im Standby-Modus kann die Laufzeit jedoch auch deutlich länger sein.
Bei dem Einsatz digitaler Technik in der Pflege sollten stets auch ethische, rechtliche und soziale Aspekte reflektiert und berücksichtigt werden. So zeigt sich bei der ethischen Betrachtung von Ortungsgeräten eine ambivalente Situation, in der ein Zugewinn an Autonomie und Sicherheit mit einem starken Eingriff in die Privatsphäre einhergeht. Eine entsprechende Gewichtung und Abwägung sollte hier stets am konkreten Einzelfall erfolgen. Grundsätzlich darf die Personenortung nur mit dem Einverständnis einer einwilligungsfähigen Person erfolgen. Andernfalls ist es erforderlich, Bevollmächtigte bzw. rechtliche Betreuer zu involvieren.
Diese Technik findet ihre Grenzen bei missbräuchlicher Verwendung z. B. im Falle einer bloßen Überwachung oder um jemanden an der freien Fortbewegung zu hindern. Denn dann könnte eine freiheitsentziehende Maßnahme vorliegen, die ggf. strafrechtlich relevant wäre.
Digitale Geräte zur Personenortung sind bislang noch nicht in den (Pflege)-Hilfsmittelkatalog aufgenommen worden. Ein Einsatz müsste demnach aktuell selbst finanziert werden.
Weiterführende Materialien
Für den Fall, dass Sie sich intensiver mit dem Thema Personenortung befassen möchten, empfehlen wir Ihnen die folgenden Quellen:
Broschüre „Ich will nach Hause – vom Hin- und Weglaufen. Eine Hilfestellung für Angehörige“ von der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg.
https://www.alzheimer-bw.de/infoservice/infomaterial-bestellen/detailansicht/kategorie/infomaterialien-fuer-angehoerige/produkt/ich-will-nach-hause-vom-hin-und-weglaufen/
Der Abschlussbericht des Projekts „Vodino“ der Deutschen Alzheimer Gesellschaft und der Charité Berlin bei dem verschiedene Personenortungssysteme untersucht wurden.
https://www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/Alz/pdf/Forschungsfoerderung/2014_abschlussbericht_vodino.pdf
Praxisleitfaden
Darüber hinaus können Sie unter dem nachfolgenden Link unseren komprimierten Praxisleitfaden zu dem Thema einsehen.
https://www.pflegedigital-bw.de/de/download/praxisleitfaden-digitale-technik-zur-personenortung/
Sie verwenden in Ihrer Einrichtung bereits digitale Technik zur Personenortung? Nehmen Sie gerne Kontakt auf und berichten uns von Ihren Erfahrungen.
Wir stehen Ihnen jederzeit für Fragen zur Verfügung und helfen Ihnen gerne weiter.