Interview mit Nadine Treff, Projektleiterin TI bei der Samariterstiftung Nürtingen
PflegeDigital@BW:
Was hat Sie dazu bewogen mit Ihren Einrichtungen am Modellprogramm nach §125 SGB XI zur Einbindung der Pflege in die Telematikinfrastruktur (TI) teilzunehmen?
Nadine Treff: Die Samariterstiftung betreut an mehr als 30 Standorten in Württemberg über 5.000 Menschen im Alter, mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen. In den mehr als 60 Häusern, Einrichtungen und Diensten der Samariterstiftung arbeiten über 3.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Rund zwei Drittel der Mitarbeitenden sind in der Altenhilfe tätig.
Unsere Pflegeeinrichtungen haben einen hohen Kommunikationsbedarf und dabei höchste Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit. Das war mit den vorhandenen Kommunikationsmitteln bislang nicht umsetzbar. Darüber hinaus haben wir als Träger im Bereich der Digitalisierung viele Erfahrungen in den vergangenen Jahren gesammelt und wir streben an, auch zukünftig die Digitalisierung für Menschen voranzutreiben.
Welche Funktionalitäten der TI haben Sie in Ihren Einrichtungen umgesetzt?
Nadine Treff: CompuGroup Medical (CGM SOZIAL) hat im Herbst 2021 zwei Einrichtungen der Samariterstiftung an die Telematik Infrastruktur (TI) angeschlossen. Im Rahmen des Modellprojektes §125 SGB XI können die Einrichtungen den Kommunikationsdienst KIM zum verschlüsselten signierten Austausch medizinischer Daten nutzen und nehmen damit als erste Pflegeeinrichtungen in Deutschland an der TI teil.
Wie hat die technische Umsetzung zur Einbindung in die TI funktioniert, welche Schwierigkeiten sind ggf. aufgetreten?
Nadine Treff: Obwohl bereits Erfahrungen in der Anbindung zur Nutzung des Kommunikationsdienstes KIM bestanden, gab es Herausforderungen in Bezug auf die Anbindung des TI-Konnektors. Hier kam es zu organisatorischen technischen Schwierigkeiten. Einerseits ist die Anschaffung und der Einsatz der Institutionskarte SMC-B Org nicht völlig reibungslos verlaufen, da diesbezüglich Pflegeeinrichtungen noch nicht berücksichtigt sind. Zudem verlief die Registrierung für den KIM-Anschluss und Zertifizierung zur Nutzung der Anwendung in Outlook nicht fehlerfrei, sodass hier Lösungen gefunden werden mussten. Es erfordert demnach viel technisches Know-how, die TI-Anbindung vorzunehmen.
Welche Erfahrung haben Sie im Hinblick auf die Akzeptanz der TI in den eigenen Einrichtungen, bzw. in der Zusammenarbeit mit anderen Akteuren wie z. B. Ärzt*innen oder Apotheken gemacht?
Nadine Treff: In den eigenen Einrichtungen war bislang die Telematik unbekannt. Seit dem Projektstart lernen wir als Träger und in den Einrichtungen stetig dazu, gleichzeitig steigt damit auch die Akzeptanz der TI, da der Nutzen und die Umsetzung verstehbar und auch „greifbarer“ werden. In der Zusammenarbeit mit anderen Akteuren machen wir die Erfahrung, dass eine bereits bestehende gute Kooperation und Kommunikation sehr zuträglich ist und eine Abstimmung und gemeinsame Festlegungen ermöglichen.
Welche Prozesse konnten in Ihren Einrichtungen durch die Einbindung in die TI erleichtert oder verbessert werden?
Nadine Treff: Bislang sind wir noch in der Findung und Erprobung der Prozesse. Wir versprechen uns jedoch von dem Projekt langfristig eine datenschutzkonforme Übermittlung von Informationen, die aus dem System heraus direkt versendet werden können, ohne Medienbrüche zu verursachen. Damit sollen Kommunikationsprozesse schlanker und transparenter stattfinden.
Was funktioniert im Zusammenhang mit der TI noch nicht so gut? Welche Probleme können auch durch die Einbindung in die TI bislang noch nicht gelöst werden?
Nadine Treff: Momentan ist der Kommunikationsdienst KIM über Outlook nutzbar. Eine Einbindung in unsere Pflegesoftware ist daher ein weiterer wichtiger Schritt, um Prozesse der Informationsvermittlung schlanker zu gestalten. Alleinig durch die Einbindung in die TI ist die Übertragung von Daten nicht automatisiert. Das bedeutet, dass nach wie vor Inhalte z.B. von Medikationsplänen in die Pflegesoftware eingetragen werden müssen. Es ist sinnvoller, gemeinsam auf Daten, z.B. denselben Medikationsplan, zugreifen zu können. Hierfür sind der E-Medikationsplan auf der Gesundheitskarte und das E-Rezept sinnvolle und notwendige Entwicklungen.
Was sind Ihre Erwartungen an die zukünftige Weiterentwicklung der TI?
Nadine Treff: Die Einbindung in die TI wird die Prozesse der Kommunikation und Koordination der Gesundheitsberufe erleichtern. Die TI muss sich in der Weiterentwicklung aus unserer Sicht jedoch noch stärker ethischen und rechtlichen Themen zuwenden, um innovative und nachhaltige Lösungen zu schaffen. Beispielsweise stellt sich die Frage, wie die Autonomie der Patient*innen gewahrt werden kann, zu entscheiden, wer Zugriff auf welche Gesundheitsinformationen haben darf. Und wie die Gesundheitsberufe gleichsam der Fürsorge nachkommen können, auf der Grundlage der Informationen bedarfsgerechte Maßnahmen und Behandlungen zu planen und durchzuführen.
An welcher Stelle hätten Sie sich mehr Unterstützung bei der Einbindung in die TI gewünscht?
Nadine Treff: Im Projekt wäre ein barrierefreier Zugang zu einem Verzeichnis der KIM-Adressen aller Kooperationspartner sehr hilfreich gewesen. Leider sind zudem noch nicht alle Hausarztpraxen und Apotheken, mit denen wir zusammenarbeiten, an die TI-Infrastruktur angebunden. Hier braucht es aus unserer Sicht noch stärkere Anreize und Vorgaben der Landes- und Bundesregierung.
Herzlichen Dank für das Gespräch.