Ein Praxisbeispiel:
Interview mit Andreas Bronner - Sozialstation Raum Oberndorf gGmbH

Mann der lächelnd auf einem Stuhl sitzt

PflegeDigital@ BW: 
Warum besteht Bedarf zur Digitalisierung?

Andreas Bronner: Sukzessive wird es jetzt und in Zukunft so ein, dass sich immer weniger Menschen um immer mehr Menschen kümmern müssen. Nicht nur in der Pflege und im Verwaltungsbereich, sondern in der gesamten Dienstleistungsbranche. Die Anforderungen an das Handling der Versorgungsketten und auch an die allgemeine Verwaltungen steigen stetig – trotz Entbürokratisierung – oder gerade auch deshalb. Digitalisierte und automatisierte Prozesse schaffen Freiraum für die tägliche Arbeit und bringen Sicherheit und Überblick bei einer stetig steigenden Anzahl an Klienten und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Welche Hürden sind mit der Digitalisierung verbunden?

Andreas Bronner: Bisher gibt es wenig bis keine Muster – und Baukastenlösungen mit der sich zum Beispiel ein Pflegedienst oder eine stationäre Altenhilfeeinrichtung „komplett digitalisieren“ kann. Es gibt zwar mittlerweile für alle Bereiche Softwarelösungen und auch entsprechende Endgeräte, Schnittstellen, Infrastruktur, Internetanbindung, Sicherheit, Backuplösungen – all das was dazu gehört, muss aber selber zusammengebastelt werden. Viele tun sich damit schwer. Wer keine Affinität dazu hat, braucht teure Berater und Beraterinnen und Dienstleister, die am Ende aber oft auch nicht das große Ganze überblicken – vom ERP System, über die Schnittstellen zur Finanzbuchhaltung und zum Dokumentenmanagementsystem usw.



Wo sehen Sie die Zukunft der Digitalisierung im Bereich der Pflege?

Andreas Bronner: Tourenplanung (Soll-Planung) und Leistungserfassung (Ist-Erfassung) kann jetzt schon zu 100% digital abgebildet werden, ebenso wie die Dokumentation. Aufgrund fehlender gesetzlicher bzw. verbindlicher Grundlagen muss aber einiges trotzdem wieder ausgedruckt oder eben nicht digital erfasst werden (z. B. Leistungsnachweise, Verordnungen häuslicher Krankenpflege). Unter anderem aufgrund der Coronapandemie hat der Gesetzgeber nun endlich spürbar erkannt, welches Potential in der Digitalisierung steckt – das ist nun auch endlich in der Gesetzgebung spürbar. Bis 2025 wird es möglich sein (sofern alle Beteiligten Ihre Versprechen halten) den kompletten Versorgungs- und Abrechnungsprozess eines Pflegebedürftigen in einem ambulanten Pflegedienst digitalisiert und automatisiert zu steuern, von der Erstaufnahme bis zur Abrechnung mit den Kostenträgern und/oder der Verlegung ins Krankenhaus etc. Auch die Überwachung und der Kontakt mit einem Pflegebedürftigen und dessen Angehörigen stelle ich mir über Tablets; Videotelefonie und Apps vor.

Ausblick: Was erwarten Sie von der Teilnahme an dem Modellprogramm zur Einbindung der Pflegeeinrichtungen in die Telematikinfrastruktur nach § 125 SGB XI?

Andreas Bronner: Als Erstes, dass das Faxen endlich ein Ende hat. Im Detail: eine einfache, verbindliche Schnittstelle zwischen uns (den Leistungserbringern, wie z.B. Hausärzte, Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen, stationären Einrichtungen, ambulanten Pflegediensten, medizinischer Dienst der Krankenkassen) über die alle Daten einfach, schnell und zielgerichtet ausgetauscht werden können – ohne langes hin und her und vor allem, ohne dass jemand wieder irgendwas erfasst, was schon tausend Mal an anderer Stelle erfasst wurde (z.B. Anamnesedaten eines Patienten).

Was möchten Sie anderen gerne mitgeben?

Andreas Bronner: Vergessen Sie die Ausrede, dass Sie gerade keine Zeit für die Digitalisierung haben! Sie haben keine Zeit dafür, weil Sie nicht digitalisiert sind.