Hier finden Sie den Bericht über den 6. Fachtag von 12.10.2023 im ACHAT Hotel in Karlsruhe mit dem Titel „Change“ – Veränderungsprozesse in der Langzeitpflege erfolgreich gestalten.

Inhalt des Artikels

Einführung, Grußworte und Aktuelles

Kirsten Heiland vom Team Pflegedigital eröffnete den Fachtag  mit einer Begrüßung der anwesenden Teilnehmern und einem Rückblick auf den letzen Fachtag von PflegeDigital@BW – Beispiele guter Praxis. 

Damals wurden neue, richtigunsweisende Technolgien vorgestellt die bereits in Einrichtungen in den Arbeitsalltag eingeflossen sind . Am Ende der Veranstaltung  fand eine Paneldiskussion statt. In dieser wurde auch über die Implementierung der von eben diesen neuen Technologien in den Organisationen gesprochen. Es ist nicht nur wichtig die Technik zu kennen und einschätzen zu können, sondern auch wie man die Technik erfolgreich in Organisation implementiert und gegebenfalls Arbeitsprozesse anpasst. Hierzu entstand die Idee den nächsten Fachtag zum Thema Changeprozesse zu entwickeln. 

Dr. Angela Postel aus dem Ministerium Soziales, Gesundheit und Integration begrüßte das Publikum und stellte die Wichtigkeit von Verändung heraus. Sie wies auf die Herausforderungen wie die steigende Anzahl von Pflegebedürftigen hin. Besonders wichtig sei die Einbeziehung der Mitarbeiter in die Veränderungsprozesse und eine Motivation für ständiges Lernen und Weiterbilden. Die Digitalisierung soll zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen führen und schließlich zu einer verbesserten Versorgung der Pflegenden und zu Pflegenden.

Kirsten Heiland berichtete  von neuen Entwicklungen im Landskompentenzzentrum. Vorallem wurden das gestartete Transfermobil, welches neue Technologien anfassbar und begreifbar machen soll vorgestellt. Das Transfermobil hat bedarfsgerechte Module, welche in Einrichtungen oder auf Messen wie zum Beispiel der Landesgartenschau gefahren werden. Beispiele für die bereits vorzeigbaren Technologien sind Altersanzüge und Exoskellette, Digitale Gesundheitsanwendungen, Soziotechnik und VR. Aus dem Geschäftsfeld EDU wurde von den inzwischen 2 Durchgängen der Zusatzqualifizierung im Umfang von 40 Stunden berichtet. Zudem fanden eintägige Workshops für Praxisanleiter aber auch für Pflegeschulen statt. Weiter wurden Lehrveranstaltungen für Schulen und Hochschulen durchgeführt. Über die Entwicklung des Themenfeldes Telematikinfrastruktur wurde von der TI-Steuerungsgruppe  mit inzwischen 50 Mitgliedern, dem aktualisierten TI-Wegweiser, den zahlreichen TI Informationsveranstaltungen und den neu ins Leben gerufenen TI-Werkstattgespräche als Erfahrungsaustausch zwischen den Trägern der Langzeitpflege berichtet.

Für Verändungesprozesse gibt es Schlüsselfaktoren für die Gestaltung von Veränderungsprozessem: „Energie wecken und Vertrauen schaffen“ „Denken in Prozessen, statt in Strukturen“ und „Vernetzung durch Kommunikation“ (nach C. Lauterburg, K.Doppler – „Changemanagement- Den Unternehmenswandel gestalten“ )

Keynote I - Lust auf Veränderung - na klar, wenn‘s schön ist und wenn nicht, was dann?
Barbara Lehmann und Renate Franke (school of facilitating, Berlin)

Die erste Keynote von Renate Franke und Barbara Lehmann von der School of Facilitating hatte den Titel Lust auf Veränderung – na klar, wenn ́s schön ist und wenn nicht?

Die Referenten machten zu Beginn klar, dass es Lust auf Veränderung in erster Näherung nicht gibt. Zudem sind Veränderungsprozesse keine Projekte mit Anfang und Ende. Es benötigt Resilienz um die Veränderung durchzuführen. Zu dem Thema gibt es auch Monographien der Referenten.

Zum Vergleich wurde die Metapher “Segeln” verwendet. Und zwar Segeln bei Nebel und Segeln bei Sonne. Bei Sonne gibt es Neugier, Gefühl und damit Mut. Jedoch auch im Nebel gibt es Lösungen: Leuchttürme werden benötigt um die nächsten Schritte klarzumachen. Erschwerend ist, dass es häufig einen Bias darüber gibt, was andere denken. Wichtig ist, dass die Neugier geweckt wird. Dabei dürfen sich die Mitarbeiter aber nicht überfordert fühlen. Hierfür werden Freiräume gebraucht. Vieles wird über Emotionen gesteuert. Man muss versuchen die positiven zu verstärken und auch die negativen auffangen. Letzteres zum Beispiel durch echtes Zuhören. Schlecht funktionieren hier online Portale. Durch diese Modelle werden negative Zustände festgefahren. Wichtiger ist eine kontinuierliche Aktualisierung von Gefühlen und Glaubenssätzen. Zur Resilienz gehört zum Beispiel Gefühle wieder zurückzusetzen. Dabei muss gefragt werden, ob man das Gefühlt hat oder ob das Gefühl jemanden hat.

Während des Vortrags hatte das Publikum immer wieder Zeit sich mit den Nachbarn über bestimmte Themen auszutauschen.

Die Präsentation der Keynote und die Dokutmentation des Workshops können hier heruntergeladen werden ⬇

Keynote II - Per Anhalter in die TI - Michael Noll (AOK Baden-Württemberg)

Auf der zweiten Keynote des Tages hat Michael Noll von der AOK Baden-Württemberg noch einmal die Wichtigkeit von Veränderungen herausgearbeitet. Er bezog sich sich dabei auch auf die Vorgestellten guten Projektbeispiele auf dem letzten Fachtag. Er sagt, Change nimmt zu wenig Raum ein. Ja es hat manchmal einen negativen Beigeschmack. Viele warten auf einen eingeschwungenen Zustand. Dieser Zustand wird jedoch selten vollständig erreicht, weil sich viele Dinge kontinuierlich ändern. Häufig wird auch vergessen dass die Effizienzsteigerung die durch die Veränderungen gewaltig sein kann. Für den Transfer der Veränderungsideen ist es sehr wichtig eine hohe Authentizität zu gewährleisten. Also ist es wichtig das Ziel klar zu kommunizieren und keinen Platz für Zweifel zu erlauben. Dabei lässt sich das Changemanagement nicht delegieren. Im Gegenteil ist es die Kernaufgabe der Führungsebene den Veränderungsprozess zu gestalten und selbst durchzuführen. Dabei heißt es Rational Denken und Handeln.

Eine gute Praxis ist, die Dinge die gut laufen auch positiv zu kommunizieren. Denn richtig ist auch, dass viele Change-Projekte scheitern. Häufig stößt die klassische Projektlogik an Grenzen. Meist sind es kürzere Zyklen und die Definition von Objektiven Schlüssel Resultaten (OKR) als Messpunkten an denen sich die Veränderung messen lassen muss. Das ganze muss kombiniert werden mit einer Fehlerkultur, welche auf allen Ebenen des Unternehmens etabliert ist. Dabei muss auch immer bedacht werden, dass ein Teil der bisherigen Arbeit ausserhalb des bestehenden Systems geleistet werden muss. 

Workshops am Nachmittag

Am Nachmittag fanden Workshops zu 5 verschiedenen Themen statt. Die Workshops wurden zweimal hintereinander durchgeführt. Somit hatten die Teilnehmer die Möglichkeit an zwei unterschiedlichen Workshops teilzunehmen.

Im folgenden sollen die Workshtops kurz vorgestellt werden.

 

Workshops A - Wegweiser TI: Erfahrungsaustausch und Best Practices

Im Workshop „Wegweiser TI – Erfahrungsaustausch und Best Practices“ wurden die aktuellen Herausforderungen und Chancen auf dem Weg in ein digital unterstütztes Gesundheit- und Pflegesystem diskutiert. Michael Noll (AOK Baden-Württemberg) und Thomas Heine (PflegeDigital@BW) starteten mit den Erfahrungen zur Entstehung um Anwendung des TI-Wegweisers von PflegeDigital@BW (www.pflegedigital-bw.de/ti-wegweiser). Es zeigte sich erneut, dass es nicht (nur) die „technische Herausforderungen“ sind, die dahinter stehen sondern, dass es gemeinsame Anstrengungen und Ressourcen bei diesem großen Changeprozess bedarf. Basiswissen, Klarheit bei den Schnittstellen, patientenzentrierte Prozesse waren einige Stichworte, welche aufzeigten wie wichtig Partizipation ist und welches Potential Gute-Praxis-Beispiele liefern können. Das Aufbauen kleiner (wachsender) Transformationscluster kann ein Schritt in die richtige Richtung sein, um eine gemeinsame Vision zu erreichen. Und jede Umsetzung startet mit den individuellen Rahmenbedingen sehr lokal/regional.

Workshops B - Mit dem Wind nicht gegen ihn

Im Workhop – „Mit dem Wind nicht gegen ihn“ haben die Referentinnen von „School of Facilitating“ noch einmal die möglichen Widerstände bei der Einführung von Neuen Technologieen erarbeitet und verdeutlicht wie diese gut aufgefangen werden können. Der Leitsatz „Ohne Widerstand keine Veränderung“ stand im Mittelpunkt der Überlegungen. Dabei sind 3 Thesen essentiell:

1) Widerstand hat einen guten Grund

2) Schatzsucher: Was bringt der Widerstand Neues

3) We sich nicht gehört fühlt, verhält sich unerhört.

Die Diskussionsergebnisse wurden an den drei Triebfaktoren: open mind (Neugier), open heart ( Herz) und open will (Mut) organisiert.

Workshops C - Wie Bildungs- und Vernetzungsangebote Changeprozesse unterstützen - Sarah Theune (vediso)

Mit ihrem Workshop „Wie Bildungs- und Vernetzungsangebote Changeprozesse unterstützen“ hat Sarah Theune (vediso) mit den Teilnehmenden über die Themen Vernetzung, Networking, Prozesse, Bildung, Austausch und hier ganz besonders das Stichwort „Augenhöhe“ diskutiert.
Ein Austausch auf Augenhöhe in einer Peergroup kann Kräfte mobilisieren und die daraus resultierende Vorteile und Synergien erzeugen wiederum Kraft für Veränderungsprozesse innerhalb der eigenen Organisation.
Die Workshopthemen Digital Readiness: Mindset & Skillset, kulturelle Veränderungen anstoßen – Small Wins, Bildungs- und Vernetzungsangebote (im vediso) und Multiplikatoren-Modelle (als Beispiel) bildeten die Grundlage für einen Erfahrungsaustausch, der als zentrales Ziel des Workshops erfolgreich gestaltet wurde.
Als Vorständin bei vediso, dem Verband für Digitalisierung in der Sozialwirtschaft e.V., konnten die Teilnehmer*innen am reichhaltigen Erfahrungsschatz von Sarah Theune teilhaben. Eine offene Atmosphäre und spannende Gespräche ergaben sich durch das kommunikative Format und der großen Bereitschaft aller.
Die beiden Fragen „Was davon könnte in Ihrer Organisation umgesetzt werden?“ „Welche Anpassungen sind erforderlich?“ waren nicht nur der Diskussionsstarter zum Ende der Präsentation, sondern als Take-Home-Massage für alle eine gewinnbringende Herausforderung.
Viele interessante Beiträge aus der Praxis der verschiedenen Akteure machten den Workshop für alle zu einem erfolgreichen Teil des Fachtages.

Workshops D - Effektive Mitarbeitendenbeteiligung bei der Einführung von Pflegesoftware - Strategien für erfolgreiche Changeprozesse

Unter Moderation von Jesse Berr (PflegeDigital@BW) berichteten David Rudisile (Heimleitung Alten- und Pflegeheim Elim e. V.) und Steffen Till ( Referatsleitung Pflege und Alltagsbegleitung bei der Evangelische Heimstiftung GmbH) von ihren Erfahrungen zu dem Thema.

Eines der Ziele des Workshops war es zu beleuchten, welche Unterschiede bei den Rahmenbedingungen zwischen großen und kleinen Trägern in der Langzeitpflege bestehen und was man voneinander lernen könne.

Herr Rudisile schilderte zunächst sein Vorgehen bei der Einführung der Pflegedokumentationssoftware von Medifox Dan in seinem Haus. Der Einbezug der Mitarbeitenden startete in diesem Fall bereits im Auswahlprozess. Die Mitarbeitenden der Einrichtung sollten sich auf Pflegemessen mit den Lösungen der verschiedenen Anbieter vertraut machen und ihm rückmelden, welche der Produkte in eine engere Auswahl kommen sollten. Im Praxiseinsatz sei dann auch eine parallel laufende Testumgebung der Software hilfreich gewesen, in denen die Mitarbeitenden ohne Angst vor Fehlern ausprobieren und lernen konnten. Eine funktionierende IT-Infrastruktur und ein Supportsystem seien jedoch essenziell um die Akzeptanz im Zuge des Changeprozesses zu sichern.

Anschließend stellte Herr Till seinen Ansatz bei dem Roll-out eines großen Upgrades der Pflegedokumentationssoftware von Senso vor. Es mussten über 90 Einrichtungen mit der neuen Bedienoberfläche und Funktionen vertraut gemacht werden. Zu diesem Zweck wurde ein Projektplan erarbeitet, um über einen mehrjährigen Zeitraum die Einrichtungen nach und nach umzustellen. Eine Schlüsselrolle in den Einrichtungen spielten besonders geschulte „Key-User“ als Multiplikatoren. Neben den Leitungskräften kamen für diese Rolle auch digitalaffine Pflegekräfte infrage die in der Folge bei Problemen vor Ort aushelfen konnten.

Dass der Einbezug der Mitarbeitenden eine hohe Relevanz hat, wurde auch in den Diskussionen mit dem Publikum bei dem Thema geeigneter Endgeräte zum mobilen Dokumentieren (u. a. Smartphones & Tablets) deutlich.

Weiterhin wurde auch über die Grenzen der Mitarbeitendenbeteiligung gesprochen. Im Sinne eines Erwartungsmanagements müsse auch realistisch kommuniziert werden, dass nicht jeder individuelle Wunsch berücksichtigt werden könne.

Abschließend gab es von den Teilnehmenden des Workshops noch Impulse, z. B. dass die finanzielle Situation in der Pflege Grenzen bei der Nachrüstung von IT-Infrastruktur in den Häusern setze. Im Kontext des Themas Aus-, Fort- und Weiterbildung wurde der Wunsch formuliert, dass der Umgang mit moderner Pflegesoftware bereits in der Pflegeausbildung vermittelt werden solle.

Workshops E - New Work in der Pflege

Im Workshop New Work in der Pflege präsentierten Beate Risch und Petra Gaugisch vom Fraunhofer Institut für Arbeitsorganisation Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt Future Care and Services (FuCaSe). Die Präsentation hatte den Sinn die Teilnehmenden in das Thema New Work in der Pflege einzuführen und Themen von möglichen Betätigungsfeldern zu umrahmen. Nach der Vorstellung der Präsentation wurde ein Impuls zur Ideenfindung mit der
Methode: »25/10 Crowd Sourcing« gestartet. Bei dieser Methode beschreibt jeder Teilnehmer eine Idee für eine New Work Idee und nennt einen möglichen ersten Schritt für die Durchführung. Die Idee wird auf einem Papier festgehalten. Im Anschluss findet eine Durchmischungsrunde statt in welcher die Teilnehmenden Ihre Ihre Ideenpapiere tauschen. Nun wird immer wieder pausiert, die Teilnehmenden lesen die Idee in Ihren Händen und bewerten die Idee mit einer Punktzahl zwischen 0 ( Idee ist komplett unklar) bis 5 – Die Idee ist so gut, dass ich sie sofort umsetzen würde.

Es entstanden mit Hilfe dieser Methode interessante Ideen für Digitalisierungsprojekte.

Die Präsentation kann hier heruntergeladen werden ⬇

Zusammenfassung und Ausklang

Im Anschluss an die Workshops wurden die Workshops nocheinmal im Plenum zusammengefasst.

Der nächste Fachtag von PflegeDigital@BW wurde angekündigt. Er findet am 7. März 2023 statt.